Hands-on MINT
Mit FabLabs alle erreichen
Kreative Praxis statt trockener Theorie: In FabLabs werden MINT-Themen zum Werkzeug, um selbst gesetzte Ziele und eigene Ideen zu verwirklichen. Sie bieten Zugang zu Technologien, Materialien und Know-How – und haben jede Menge Potenzial, Kinder und Jugendliche für MINT zu begeistern. Aber nach wie vor erreichen solche Angebote längst nicht alle. Warum ist das so? Und was können MINT-Akteur:innen dagegen tun? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine neue Studie. Wir haben die wichtigsten Antworten für Euch.
Hands-on MINT: Dass praxisnahes Lernen einen positiven Einfluss auf die MINT-Bildung hat, zeigen viele Studien. Auch zur optimalen Gestaltung von FabLabs und Lernmaterialien gibt es zahlreiche Untersuchungen. Im Fokus stehen dabei in der Regel die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen, die bereits an Praxisprojekten teilnehmen. Aber was ist mit Schüler:innen, die noch keinen Kontakt mit FabLabs bzw. Makerspaces hatten? Was hält sie ab und welche Faktoren sind entscheidend dafür, ob sie sich für ein solches Angebot interessieren? Damit haben sich Forschende rund um die Wissenschaftlerin Kathrin Smolarczyk vom Projekt EnvironMINT beschäftigt.
Für die Studie wurden Fokusgruppendiskussionen mit insgesamt 61 Schüler:innen eines Gymnasiums in einer mittelgroßen Stadt in Nordrhein-Westfalen mit durchmischter sozialer Struktur geführt. Die Kinder und Jugendlichen waren zwischen 11 und 16 Jahren alt und hatten allesamt zuvor noch keine Erfahrungen mit FabLabs. Für die Studie besuchten sie in kleinen Gruppen das FabLab der lokalen Hochschule und lernten dort die möglichen Aktivitäten, Werkzeuge und Technologien kennen. In strukturierten Fokusgruppendiskussionen wurden sie nach ihren Eindrücken und Meinungen befragt. Ziel der Forschenden war es, Faktoren zu identifizieren, die einer möglichen Teilnahme an einem FabLab-Programm im Weg stehen oder sie befördern könnten.
Ein FabLab (Fabrication Laboratory) ist ein offener Raum, der mit modernster Fertigungstechnik und digitalen Werkzeugen ausgestattet ist. Hier können Menschen, unabhängig von ihren Vorkenntnissen, prototypisieren und ihre Ideen in greifbare Produkte umsetzen.
Typische Ausstattung eines FabLabs umfasst:
- 3D-Drucker: Zum Erstellen von dreidimensionalen Objekten
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- Laserschneider: Zum präzisen Schneiden und Gravieren von Materialien wie Holz, Acryl oder Textilien
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- CNC-Fräsen: Für die Bearbeitung von Materialien durch computergestützte Maschinen
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- Elektronik- und Programmierwerkzeuge: Zum Entwerfen und Testen elektronischer Schaltungen
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FabLabs sind ein prominenter Bestandteil der Maker- und DIY-Bewegung sowie der Open-Source-Kultur, die kreatives Schaffen und technologische Entwicklung fördern. Oft wird synonym auch der Begriff Makerspace verwendet. Letztere sind aber ganz allgemein ein kreativer Raum für vielfältige Projekte, während FabLabs stärker auf digitale Produktion und Prototypenentwicklung ausgerichtet sind.
Wie können FabLabs die Relevanz und den Spaßfaktor ihrer Angebote für Kinder und Jugendliche erhöhen – und das besser vermitteln?
Aus den Antworten der Fokusgruppen wurde deutlich, dass sich vielen der Befragten der Zweck und persönliche Nutzen solcher Praxisangebote bislang nicht gut genug erschlossen hat. Sie assoziierten die Programme mit hohem Aufwand und wenig Spaß. Welchen Sinn eine Teilnahme für ihr eigenes Leben und ihren Alltag haben sollte, war ihnen nicht ausreichend klar. Daraus ergeben sich wesentliche Erkenntnisse für die Praxis.
Tipp für MINT-Akteur:innen: Die Angebote müssen die Lebenssituation aller Kinder und Jugendlichen (auch aus nicht-akademischen Haushalten) stärker berücksichtigen und dabei helfen, einen Bezug zu ihrer Lebensrealität herzustellen. Es braucht einen klar erkennbaren Mehrwert für die Teilnehmenden – verbunden mit der Aussicht auf Spaß. Dabei ist es wichtig, dass die Jugendlichen ihre eigenen Interessen und Wünsche in das Projekt einbringen können. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass sie in einem FabLab nützliche Produkte für sich selbst oder als Geschenk für andere gestalten können. Kreativität ausleben, neue Erfahrungen sammeln und gemeinsam Spaß dabei haben sind dabei wichtige Faktoren, um sie zu einer Teilnahme zu motivieren.
Und: Nutzen und Spaßfaktor müssen schon in der Beschreibung der Angebote, in der Werbung oder in Infoflyern deutlich werden. Auch das kann MINT-Akteur:innen in FabLabs helfen, mit ihren Angeboten noch mehr junge Menschen zu erreichen.
Kinder und Jugendliche wollen Empowerment und autonom arbeiten. Wie kann man die Angebote und das Umfeld entsprechend gestalten?
Ein ganz wichtiger Aspekt für die Befragten in allen Fokusgruppen die Möglichkeit war, selbständig zu arbeiten. Der Wunsch: Anleitungen und Hinweise der Projektleitenden sollten nur die Basis bilden, auf der die Teilnehmenden dann Entscheidungen selbst treffen und wichtige Schritte autonom umsetzen können. Das ermöglicht ihnen einerseits ein größeres Erfolgserlebnis („das habe ich selbst geschafft“) und vermeidet andererseits, dass sich die Jugendlichen durch zu starke Strukturen eingeengt und an das formale Lernen im Schulunterricht erinnert fühlen.
Tipp für MINT-Akteur:innen: Es besteht die Gefahr die Kinder und Jugendlichen zu überfordern. Ein gutes Maß an Autonomie sollte in den Angeboten zugelassen werden – ohne aber dabei zu wenig Hilfe zu geben. Das richtige Maß zu finden, erfordert oft Fingerspitzengefühl und ein tiefes Verständnis für die individuellen Beziehungen.
Von wegen „trocken“ – so machen Nachhaltigkeitsthemen Spaß
Wie bei vielen MINT-Themen haben auch beim Thema „Nachhaltigkeit“ viele Kinder und Jugendliche das Gefühl, dass es ihnen viel zu oft nur abstrakt und theoretisch nahegebracht wird. Viele der Teilnehmenden in der Studie waren davon frustriert, hatten jedoch durchaus Interesse, sich mit nachhaltigen Ideen in der Praxis zu beschäftigen. Wichtig war ihnen dabei erneut das Gefühl von Autonomie und der Nutzen für das eigene Leben – zum Beispiel durch das Reparieren, Recyceln oder Upcyceln von Objekten oder Materialien im Rahmen eines FabLabs.
Tipp für MINT-Akteur:innen: FabLabs motivieren Kinder und Jugendliche dazu, nachhaltige Lösungen für alltägliche Herausforderungen zu entwickeln. MINT-Wissen lässt sich hierbei ideal durch Nachhaltigkeitsprojekte wie die Reparatur von Computerequipment oder das Upcycling von Kleidung vermitteln.
„Was war die überraschendste Erkenntnis aus der Studie?“
„Manchmal saß ich in diesen Diskussionen und dachte mir einfach nur „Wow!“. Wie reflektiert, ehrlich, entschieden und umfangreich die Kinder und Jugendlichen mir ihre Meinung mitgeteilt haben, hat mich einfach begeistert. Es zeigte mir vor allem, wie unglaublich wichtig es ist, Kinder und Jugendliche stärker in die Gestaltung unserer Angebote und Forschung dazu einzubeziehen. Mit dieser Menge an hilfreichen Erkenntnissen hatte ich ehrlich gesagt selbst nicht gerechnet!“
Neben Schule, Hausaufgaben und Hobbies ist es für viele Kinder schwierig, Zeit für weitere Aktivitäten einzuplanen. Wie kann man diesem Problem begegnen?
Zeitmangel war einer der Hauptgründe, die von den Kindern und Jugendlichen in der Studie als Hinderungsgrund für die Teilnahme an außerschulischen Projekten genannt wurde. Dabei wurde in den Befragungen deutlich, dass die meisten nicht den Eindruck hatten, dass sich FabLab-Projekte zum Teil auch mit ihren Hobbies verknüpfen ließen oder sie davon profitieren könnten. Eine Herausforderung ist und bleibt aber die Zeitknappheit. Auch Ort und Zeitpunkt des MINT-Angebotes so zu wählen, dass alle Interessierten gleichermaßen teilhaben können, ist in der Praxis schwierig. Gerade die Kinder und Jugendlichen, die in der Schule schon Schwierigkeiten haben, verfügen oft nicht über die Ressourcen, an Programmen von FabLabs teilzunehmen. Hier braucht es weitere Forschung und Ideen, um diese Themen anzugehen.
Tipp für MINT-Akteur:innen: Angesichts des begrenzten Zeitbudgets und der oft knappen Ressourcen von Kindern und Jugendlichen sollten Projektleiter von MINT-Angeboten auf die Synergien mit anderen schulischen und außerschulischen Aktivitäten der Teilnehmenden hinweisen und den Mehrwert deutlich und nachvollziehbar kommunizieren.
FabLabs mit ihren 3D-Druckern, Robotern oder Drohnen wirken faszinierend auf viele Jugendliche. Aber nicht wenige wollen auch zu Hause an die Themen und Projekte anknüpfen. Wie lässt sich das in der Praxis umsetzen?
In den Fokusgruppen äußerte eine Reihe von Teilnehmenden das Bedürfnis, zu Hause an einem Projekt weiterzuarbeiten. So könnte freie Zeit flexibel für MINT-Aktivitäten genutzt werden – jenseits von den konkreten Angeboten im FabLab, die an einen festen Termin und Zeitplan gebunden sind. Einige Jugendliche äußerten außerdem den Wunsch, sich weiter mit den anderen in der Gruppe über das Thema online auszutauschen oder per Livestream weiter an einem gemeinsamen Projekt zu tüfteln. Das kann auch eine Folge der Corona-Pandemie sein, die das Lernen von zu Hause und per Internet zur Normalität gemacht hat.
Tipp für MINT-Akteur:innen: Es gibt noch viel ungenutztes Potenzial, die eigenen Angebote in den digitalen Raum auszuweiten und damit auch Jugendliche zu erreichen, die sonst gar nicht in einen FabLab kommen würden. Dies gilt insbesondere, wenn entsprechende online Formate zeitlich flexibel abrufbar sind.
Viele Kinder und Jugendliche sehen Schule als den wichtigsten Ort, sich über außerschulische Angebote zu informieren. Was bedeutet das für MINT-Akteur:innen?
In der Schule werden alle gleichermaßen erreicht – nicht nur Kinder, die sich selbst aktiv über außerschulische MINT-Angebote informieren oder etwa privilegiert durch ihre Eltern zur Teilnahme motiviert werden. Obwohl viele der Befragten die Schule als „zu formal“ und wenig interessant charakterisierten, ist dies dennoch der Ort, an dem FabLabs ihre Angebote am effektivsten verbreiten können. Insbesondere gibt es ein starkes Vertrauensverhältnis zu den Lehrkräften in der Schule. Empfehlungen für außerschulische Projekte und Workshops, die Schüler direkt von ihren Lehrkräften erhalten, werden meist als seriöser und vertrauenswürdiger wahrgenommen als beispielsweise Werbung auf Social Media.
Tipp für MINT-Akteur:innen: Wer alle Schüler erreichen möchte, sollte auf eine gute Anbindung zur Schule setzen. Die Kommunikation außerschulischer MINT-Angebote gestaltet sich jedoch oft herausfordernd, da Schulen häufig als langweilig und einengend wahrgenommen werden – was leicht auf die angebotenen Projekte abfärbt. Deshalb ist es unverzichtbar, dass Lehrkräfte mit einem guten Vertrauensverhältnis zu den Schüler:innen in die Kommunikation eingebunden werden.
Kathrin Smolarczyk hat die Studie mit Unterstützung vom Team im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes EnvironMINT an der Hochschule Rhein-Waal durchgeführt und veröffentlicht. Das anwendungsorientierte Forschungsprojekt untersucht, wie sich Jugendliche für MINT-Themen auf kreative Weise begeistern lassen. Ziel ist es, ein Konzept zu entwickeln, mit dem Kinder und Jugendliche sich jenseits der Schule mit MINT-Themen beschäftigen können. Im Zentrum stehen dabei sogenannte Maker-Aktivitäten, bei denen nicht nur innovative und nachhaltige Produkte, sondern auch künstlerische Werke kreiert werden.
Smolarczyk, K., Mouratidis, M., Uhing, S., Becker, R., Kröner, S. (2024). Let’s get them on board: Focus group discussions with adolescents on empowering leisure engagement in FabLabs and makerspaces. International Journal of Child-Computer Interaction. Vol 41.
https://doi.org/10.1016/j.ijcci.2024.100669
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