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Design-Based Learning

Eine Methode, die Lernen auf den Kopf stellt

28. Januar 2025 Lesedauer: ca. 7 min
Innovation
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Wie kann man MINT-Fachwissen spielerisch vermitteln – und ganz nebenbei Kompetenzen wie gemeinschaftliches Denken und Problemlösungstechniken stärken? Genau das ist das Ziel von „Design-Based Learning“. Die Lehrmethode wurde von der US-Amerikanerin Doreen Gehry Nelson entwickelt und setzt auf ungewöhnliche Wege. Wir stellen Euch die Grundlagen vor.

Kurzer Rückblick: Wie ist Design Based Learning entstanden?

Wie viele Lehrkräfte wollte auch Doreen Gehry Nelson ihren Schüler:innen mehr als nur trockene Theorie vermitteln. Auf der Suche nach kreativen Wegen probierte sie einiges aus. Doch ein Problem blieb: Mit klassischen Lehrmethoden schaffte sie es nicht wirklich, Kinder zu kreativem Denken anzuregen und ihnen langfristig nützliche Werkzeuge an die Hand zu geben. Schließlich kam sie auf eine Idee: Anstatt dem traditionellen Lehrmodell zu folgen, das mit der Vermittlung von Lehrinhalten durch die Lehrkraft beginnt und dann nach und nach zu komplexeren Problemlösungsfähigkeiten der Schüler:innen führt, drehte sie das Prinzip um. Am Anfang des Lernens stand nun das selbständige Problemlösen durch die Schüler:innen, die erst im Nachgang das Fachwissen vermittelt bekamen – eine Art rückwärtsgewandtes Lernen also. Die Idee wurde zum Grundpfeiler ihrer Methode, die heute als „Design-Based Learning“ bekannt ist.  

Die US-Amerikanerin Doreen Gehry Nelson begann ihre Karriere als Grundschullehrerin im Jahr 1959 und unterrichtete viele Jahre an öffentlichen Schulen in Kalifornien. In den späten 60er Jahren begann sie, ihre Methode „Design-Based Learning“ zu entwickeln. Ihr Ziel: die Kreativität der Schüler:innen sowie interdisziplinäres und kritisches Denken zu fördern. Ihre Methode wird inzwischen seit mehr als 40 Jahren an Schulen weltweit eingesetzt. Für ihre Arbeit wurde sie mit zahlreichen Preisen geehrt. 

In Kürze: Was sind die Grundprinzipien von Design Based Learning?

Die Methode basiert auf der Annahme, dass Kinder durch aktives Gestalten besser und nachhaltiger lernen. Beim Design-Based Learning entwickeln sie zuerst eigene, kreative Lösungen für ein Problem, bevor das eigentliche Lernen beginnt. Sie bekommen eine konkrete Aufgabe genannt und entwerfen einfache 3D-Objekte, die sich von allem bisher Bekannten unterscheiden sollen („Never-Before-Seen Design Challenge“). Erst dann erarbeiten sie gemeinsam mit den Lehrkräften oder MINT-Akteur:innen theoretisches Wissen zum Thema und vertiefen es. Das Gelernte nutzen sie wiederum, um ihre ursprünglichen Ideen und Objekte selbstkritisch zu bewerten und zu verbessern. Diese sogenannte Backwards-Thinking-Strategie stellt traditionelle Methoden ziemlich auf den Kopf. Lernen wird so erlebbar: Learning by Doing statt trockener Theorie.   

Dabei ist Design-Based Learning nicht als einzelnes Kunstprojekt zu verstehen, sondern als ganzheitliche, interdisziplinäre Lehrmethode, die Inhalte aus Mathematik und Naturwissenschaften mit Kunst, Geschichte und Sozialwissenschaften verbindet. Neben dem eigentlichen Fachwissen lernen die Kinder auch, wie sie eigene Ideen entwickeln, formulieren und verteidigen – und wie sie gemeinsam mit anderen in der Klasse Kompromisse und Lösungen finden. Sie erleben sich als aktive Gestalter:innen und erarbeiten sich Techniken, die sie jenseits des konkreten Themas auch in anderen Bereichen einsetzen können. 

Wie funktioniert Design Based Learning in der Praxis?

Im Zentrum stehen sogenannte Design Challenges. Zu Beginn sollen die Kinder eine Art Avatar von sich entwerfen und als reales, dreidimensionales Objekt umsetzen. Die Herausforderung: Die Figur soll eine „noch nie zuvor gesehene Kreatur“ sein, also nicht einfach eine bekannte Gestalt imitieren. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. So werden die Kinder motiviert, wirklich originelle und innovative Formen zu finden. Mit einfachen Mitteln wie Papier, Kleber und Stiften gestalten sie ihre Avatare und geben ihnen bestimmte Eigenschaften: Welche Bedürfnisse haben sie? Was essen sie und wie bewegen sie sich fort? Was sind ihre Träume und Interessen? Je mehr die Kinder ihre Kreaturen mit Leben füllen, desto stärker fühlen sie sich mit ihnen emotional verbunden – und desto mehr engagieren sie sich bei der Arbeit an den folgenden Challenges.  

Denn auch die nächsten Schritte werden in Form von Design Challenges umgesetzt. So sollen sich die Kinder zum Beispiel eine Behausung für ihre Avatare ausdenken und auch diese als einfaches, aber reales Objekt basteln – natürlich passend zu den Eigenschaften und Bedürfnissen ihres Avatars. Auch hier geht es wieder darum, kreative „nie zuvor gesehene“ Objekte zu erschaffen. Einzige Vorgabe bei den Design Challenges ist eine Liste von Kriterien, die erfüllt sein müssen. Zum Beispiel, dass die Behausung dem Avatar Schutz gegen äußere Einflüsse oder Gefahren bieten muss. Oder dass es Zugang zu Luft und Licht geben muss. An dieser Liste können die Kinder sich beim Gestalten orientieren und ihre Entwürfe selbständig anpassen. 

In einer weiteren Design Challenge entwerfen die Kinder ihre einzigartige „noch nie zuvor gesehene Stadt“, in der die Avatare zusammenleben. Auf vorher festgelegten Flächen werden die Behausungen ihrer Avatare platziert und die Flächen zu einer großen Modellstadt zusammengefügt. Sie dient als Spielort für kommende Aufgaben. Die Kinder organisieren sich in einer Art Stadtverwaltung, wählen Verantwortliche für einzelne Bereiche und diskutieren gemeinsam Vor- und Nachteile ihrer Ideen zu jeder Challenge. Nachdem sie ihre eigenen, kreativen Ideen umgesetzt haben, erfahren sie in passenden Lehreinheiten mehr über die jeweilige Thematik – von Transport und Fortbewegung über Handel oder Energieversorgung bis hin zu Kultur und Bildung. Sie lernen, bereits vorhandenes Wissen anzuwenden, und erwerben ganz nebenbei wichtige soziale Fähigkeiten. Die Modellstadt macht dabei vieles anschaulicher und hilft ihnen zu verstehen, welche Relevanz das theoretische Wissen auch für ihr eigenes Leben hat. Die Avatare werden zu ihren Stellvertretern in der Stadt. 

Da nahezu jedes Thema in Form einer „Design Challenge“ gedacht werden kann, lässt sich das Konzept auch sehr gut in außerschulischen MINT-Angeboten anwenden – die in ihrer Gestaltung oft freier und kreativer sind als reguläre Schulangebote. 

Welche Rolle spielen schulische und außerschulische Lehrkräfte?

Design-Based Learning ist schülerzentriert. Lehrkräfte fungieren weniger als Wissensvermittler:innen und stärker als Moderator:innen, die die Kinder in ihren kreativen Prozessen unterstützen. Die Kinder bilden Lerngemeinschaften, in denen sie sich gegenseitig unterstützen, ihre Arbeit selbst bewerten und korrigieren, wenn nötig. So entsteht eine sichere Lernumgebung.  

Welche Vorteile bietet Design Based Learning?

Die Lehrmethode wird bereits seit 1969 in Schulen in den USA eingesetzt. Begleitende Studien und Untersuchungen haben gezeigt, dass Design-Based Learning sowohl die Aufmerksamkeit der Schüler:innen als auch die Lernerfolge signifikant verbessern kann. Weitere Vorteile sind:

  • Förderung von Kreativität: Kinder werden ermutigt, originelle und unkonventionelle Lösungen zu finden, anstatt Bestehendes nachzuahmen.
  • Positive Effekte auf Konzentration und Beteiligung: Der kreative, praktische Ansatz hilft, Kinder für ein Thema zu begeistern und sie zum Mitmachen zu motivieren.  
  • Ausbildung eines aktiven Selbstverständnisses: Die Schüler:innen werden zu Gestalter:innen und lernen, dass sie die Macht haben, ihre Umwelt zu verändern.  
  • Integration von diversen Lerninhalten: Wissen wird fächerübergreifend verknüpft. Das hilft Kindern, Verbindungen zwischen unterschiedlichen Themenbereichen herzustellen. 
  • Vermittlung von „transferierbarem“ Wissen: Kinder lernen, sich ein Thema systematisch zu erschließen, und können diese Fähigkeit auch auf beliebige Bereiche jenseits von Schule und Lernkontext anwenden. 
  • Verbesserung der Problemlösungskompetenz: Fehler werden als Lernchance verstanden. Das motiviert Schüler:innen, ihre Entwürfe zu überarbeiten und zu verbessern. 
  • Hoher Grad an Inklusion: Design-Based Learning setzt wenig Grundwissen voraus, ist niedrigschwellig und anpassungsfähig und daher auch für Kinder mit verschiedenen Lernbedürfnissen oder Lernschwierigkeiten geeignet. 

Praktische Tipps zur Umsetzung

Ihr wollt mehr über Design-Based Learning erfahren und wissen, wie Ihr die Methode in Euren eigenen MINT-Angeboten einsetzen könnt? Dann besucht unseren Workshop während der MINTvernetzt-Jahrestagung.

Hier könnt Ihr Euch anmelden.

Ansprechpartner:innen

Janic Kreutter

Innovation & Global Engagement

Beatrice Barth

Beatrice Barth

UX-/ UI-Design

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