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10 Fakten zu: Rollenmodelle in der MINT-Bildung

Wie Rollenmodelle wirklich wirken

05. März 2025 Lesedauer: ca. 9 min
MesH
Teilhabe

Vorbilder, Idole, Rollenmodelle – sie begleiten uns durch Kindheit und Jugend. Angefangen bei den engsten Bezugspersonen, z.B. den Eltern, können uns im Laufe unserer Entwicklung verschiedene reale und fiktive Personen Wege aufzeigen, wie wir unsere Ziele erreichen können. Ein solches Vorbild oder Rollenmodell kann auch in Projekten in der MINT-Bildung wertvoll sein, um die Selbstwirksamkeit zu stärken und Stereotypen entgegenzuwirken. Allerdings entfaltet ein Rollenmodell seine positive Wirkung nicht automatisch. Die folgenden 10 Fakten bieten einen Überblick über wissenschaftlich untersuchte Faktoren, die dazu beitragen können, dass ein Rollenmodell besonders wirkungsvoll und unterstützend ist. 

1. Rollenmodelle wirken von klein auf 

Rollenmodelle können sich über die komplette Bildungskarriere hinweg positiv auswirken. Dabei lassen sich ihre Effekte in nahezu allen Bereichen nachweisen (kognitiv, emotional, sozial, Verhalten).1,2 

Da bereits Kinder von ihnen profitieren, bietet es sich an, schon früh geeignete Rollenmodelle aufzuzeigen, um Stereotypenbildungen entgegenzuwirken. Allerdings werden auch negative Wirkungen berichtet, weshalb ein Projekt mit Rollenmodellen professionell geplant werden muss (siehe 4. und 5.).

2. Rollenmodelle müssen nahbar und erreichbar wirken 

Verschiedene Faktoren beeinflussen die Effektivität eines Rollenmodells. Besonders wichtig ist es, dass sich die Rollenmodelle unabhängig von ihrem Erfolg als „ganz normale Menschen“ zeigen und ihre Leistungen  auch für Schüler:innen erreichbar scheinen.2 Junge, nahbare und offene Rollenmodelle, bei denen die Schüler:innen Ähnlichkeiten zu eigenen Interessen erkennen können, zeigten besonders positive Effekte.3,4 Auch hilft es, wenn Rollenmodelle ein “Growth-Mindset“ verkörpern, d.h. sie vermitteln ihre eigenen Erfolge und Fähigkeiten als Resultat von stetigem Üben und sich bemühen und nicht schlichtweg als unveränderliches Talent oder sogar Genialität. 

3. Rollenmodelle, die einer Minderheit angehören, können bei allen Kindern positive Effekte erzielen 

Rollenmodelle, die selbst einer im MINT-Bereich unterrepräsentierten Gruppe angehören (bspw. Frauen, Personen mit Migrationsgeschichte, People of Colour) können nicht nur auf ebendiese Minderheiten positive Effekte haben, sondern auf alle. Darüber hinaus können Minderheiten-Rollenmodelle zugleich zum Abbau von Stereotypen gegenüber marginalisierten Gruppen beitragen.2  

4. Rollenmodelle aus Mehrheitsgruppen sollten zusätzliche Kriterien erfüllen 

Bei Mehrheitsgruppen-Rollenmodellen hingegen braucht es mehr, um Wirkung zu erzielen: beispielsweise könnten sie dazu über bewältigte Herausforderungen sprechen oder traditionelle MINT-Stereotype widerlegen. Dies könnte z.B. ein Rollenmodell für Informatik sein, das berichtet, dass es lieber Sport treibt, statt Videospiele zu spielen.5,2 

5. Rollenmodelle sollten keine negativen Klischees erfüllen 

Ein Rollenmodell kann auch einen starken negativen Effekt ausüben, wenn es Klischees bedient, die von der breiten Gesellschaft eher negativ interpretiert werden. In einer Forschungsstudie wurde untersucht, ob ein Rollenmodell, das den Stereotypen von Informatiker:innen („nerdig“, Einzelgänger:in) entspricht, einen Einfluss auf das Interesse von Frauen an einer Karriere in der IT hat. Tatsächlich wirkte selbst ein weibliches Rollenmodell abschreckend, wenn es die stereotypischen Eigenschaften zeigte. Bei der Auswahl eines Rollenmodells sollte also darauf geachtet werden, dass negative Klischees möglichst nicht erfüllt werden und sich die Zielgruppe mit ihnen identifizieren kann.6 

6. Kurzbeschreibungen von Rollenmodellen können positive Effekte erzielen 

In der Praxis ist es oft schwer, einen persönlichen Austausch zwischen Schüler:innen und geeigneten Rollenmodellen herzustellen. Allerdings gibt es auch deutlich niedrigschwelligere Maßnahmen, die sehr gute Effekte haben können. Wirksam sind kurze Texte, in denen ein Rollenmodell und dessen/deren Erfolgsgründe dargestellt werden. Im Rahmen einer Studie wurden vor einem Mathetest kurze Texte verteilt. Die Schüler:innen deren Texte von Gleichaltrigen handelten, die gute Leistungen durch harte Arbeit und stetiges Lernen erzielten, zeigten bessere Leistungen und eine ausgeprägtere Steigerung der Selbstwirksamkeit als die Schüler:innen in deren Text Begabung als Grund für Erfolge angegeben wurden.8 Der folgende Text bewirkte diese Verbesserung:  

“Marie/Marc ist in der neunten Klasse. Sie/er ist sehr gut in Mathe. Das liegt daran, dass sie/er regelmäßig übt. Sie/er arbeitet Mathestunden nach und macht immer seine/ihre Hausaufgaben. Dadurch kann sie/er dem Unterricht folgen und macht Fortschritte. Seine/ihre guten Leistungen sind offensichtlich das Ergebnis ihrer/seiner regelmäßigen Übungen und Bemühungen.” 8 

7. Bereits kurze Begegnungen mit Rollenmodellen können Wirkung zeigen 

Es war lange Zeit nicht klar, wie lange und intensiv der Kontakt sein muss, bis Rollenmodelle wirken. Einige Studien konnten mittlerweile zeigen, dass auch ein einzelner Austausch effektiv sein kann. Beispielweise zeigten Mädchen in einer Studie bereits nach einer Stunde Interaktion mit einem weiblichen Rollenmodell in der Klasse mehr Interesse an einer MINT-Karriere als zuvor.7 

8. Positive Effekte durch selbstgewählte Rollenmodelle  

 Eine Gruppe von Schülerinnen lernte im Rahmen einer Studie von O’Brien et al. verschiedene Rollenmodelle aus den Naturwissenschaften kennen. Die Mädchen durften sich anschließend eine der Wissenschaftlerinnen auswählen, um über sie zu schreiben. Das führte dazu, dass die Mädchen sich selbst stärker als Naturwissenschaftlerinnen betrachteten. Sie identifizierten sich außerdem eher mit dem Rollenmodell als die Mädchen der Kontrollgruppe, die über ihre besten Freund:innen schrieben.9 Die aktive Wahl eines Vorbilds kann also sehr positive Wirkungen haben, insbesondere wenn sie mit weiteren Maßnahmen kombiniert wird, wie z.B. dem Verfassen kurzer Texte zu den Rollenmodellen. 

9. Auch digitaler Austausch mit Rollenmodellen wirkt 

Digitale Interaktionen mit Rollenmodellen wie beispielsweise Videoanrufe oder Online-Präsentationen sind besonders wirksam, insbesondere für Schüler:innen in ländlichen Regionen. Solche Interaktionen ermöglichen es Fachkräften aus unterschiedlichen Bereichen, ein breites Publikum zu erreichen und Interesse an den MINT-Fächern zu wecken.12 Das Online-Mentoring-Programm “CyberMentor” (https://cybermentor.de/) macht sich diese positiven Effekte seit beinahe 20 Jahren zunutze und stellt damit ein besonders erfolgreiches Praxisbeispiel dar.  

10. Mentoring durch Mitschüler:innen  

Mitschüler:innen und andere gleichaltrige Bezugspersonen (Peers) können auf vielfältige Weise als Vorbilder fungieren. Eine Studie zeigt, dass Peer-Mentoring-Programme, also Aktivitäten bei denen Schüler:innen von anderen Gleichaltrigen lernen, sich positiv auf die soziale, emotionale und akademische Entwicklung von Lernenden auswirken können.10 So kann z.B. das Lesen von Aufsätzen von Mitschüler:innen positive Wirkung haben. Wird eine Peer-Arbeit allerdings als übermäßig gut wahrgenommen, kann dies demotivierend wirken. Lernende könnten das Gefühl bekommen, dass sie selbst nie eine ähnlich gute Leistung erbringen könnten, was zu Frustration oder Resignation führen kann.11  

1. Lawner, Elizabeth K.; Quinn, Diane M.; Camacho, Gabriel; Johnson, Blair T.; Pan-Weisz, Bradley (2019): Ingroup role models and underrepresented students’ performance and interest in STEM: A meta-analysis of lab and field studies. Social Psychology of Education 22 (5), S. 1169–1195. https://doi.org/10.1007/s11218-019-09518-1 
2. Gladstone, J. R., Tallberg, M., Jaxon, J., & Cimpian, A. (2023). What makes a role model motivating for young girls? The effects of the role model’s growth versus fixed mindsets about ability and interest. Journal of Experimental Child Psychology, 238, 105775. https://doi.org/10.1016/j.jecp.2023.105775 
3. Plant, E. A., Baylor, A. L., Doerr, C. E., & Rosenberg-Kima, R. B. (2009). Changing middle school students’ attitudes and performance regarding engineering with computer-based social models. Computers & Education, 53(2), 209–215. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2009.01.013 
4. Krämer, N. C., Karacora, B., Lucas, G., Dehghani, M., Rüther, G., & Gratch, J. (2016). Closing the gender gap in STEM with friendly male instructors? On the effects of rapport behavior and gender of a virtual agent in an instructional interaction. Computers & Education, 99, 1–13. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2016.04.002 
5. Gladstone, J. R., & Cimpian, A. (2021). Which role models are effective for which students? A systematic review and four recommendations for maximizing the effectiveness of role models in STEM. International Journal of STEM Education, 8(1), 59. https://doi.org/10.1186/s40594-021-00315-x 
6. Cheryan, S., Drury, B. J., & Vichayapai, M. (2013). Enduring influence of stereotypical computer science role models on women’s academic aspirations. Psychology of Women Quarterly, 37(1), 72–79. https://doi.org/10.1177/0361684312459328  
7. Breda, T., Grenet, J., Monnet, M., & van Effenterre, C. (2023). How effective are female role models in steering girls towards STEM? Evidence from French high schools. The Economic Journal, 133(653), 1773–1809. https://doi.org/10.1093/ej/uead019  
8. Bagès, Céline; Verniers, Catherine; Martinot, Delphine (2016): Virtues of a Hardworking Role Model to Improve Girls’ Mathematics Performance. In: Psychology of Women Quarterly 40 (1), S. 55–64. https://doi.org/10.1177/0361684315608842 
9. O’Brien, L. T., Hitti, A., Shaffer, E., van Camp, A. R., Henry, D., & Gilbert, P. N. (2017). Improving girls’ sense of fit in science: Increasing the impact of role models. Social Psychological and Personality Science, 8(3), 301–309. https://doi.org/10.1177/1948550616671997  
10. Burton, Samantha; Raposa, Elizabeth B.; Poon, Cyanea Y. S.; Stams, Geert Jan J. M.; Rhodes, Jean (2022): Cross-age peer mentoring for youth: A meta-analysis. In: American journal of community psychology 70 (1-2), S. 211–227. https://doi.org/10.1002/ajcp.12579 
11. Rogers, T., Feller, A., 2016. Discouraged by peer excellence: Exposure to exemplary peer performance causes quitting. Psychol. Sci. 27, 365–374. http://dx.doi.org/10.1177/0956797615623770 
12. Skov, M., & Lykke, M. (2023). Characteristics and recommendations for the virtual role model visit — Based on a literature review. Journal of Science Education and Technology, 32(2), 143-152. https://doi.org/10.1007/s10956-022-10013-0 

Mentor:innen können als Vorbilder wahrgenommen werden und somit das MINT-Interesse und sogar die Karriereplanung beeinflussen. Die folgenden Projekte aus der MINT-Community vermitteln MINT-Mentor:innen für Mädchen:

Ansprechpartnerin

Chrischani Perera Bobusch

Dr. Chrischani Perera-Bobusch

MesH_MINT

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