10 Fakten zu Sprache und MINT
Wie Ihr mit den richtigen Worten mehr Kinder für MINT begeistert
Oft hört man: „Dieses Kind ist eher sprachlich begabt“ oder ein anderes „begeistert sich besonders für Technik und Naturwissenschaften“. Doch lässt sich das wirklich so klar trennen? Denn Sprache ist nicht nur die Basis unseres alltäglichen Miteinanders, sondern auch das Werkzeug, mit dem wir MINT-Welten erklären und begreifbar machen. Auch in der außerschulischen MINT-Bildung spielt Sprache eine Schlüsselrolle: Wenn Ihr mit Kindern experimentiert, tüftelt oder programmiert, geschieht das neben visuellen Darstellungen in erster Linie über verbale Erläuterungen. In diesen 10 Fakten zeigen wir Euch, wie eng Sprache und MINT-Verständnis zusammenhängen – und wie Ihr durch bewusstes Sprechen und Erklären noch mehr Kinder mit euren MINT-Inhalten erreichen könnt.
1. Auch Lesekompetenz beeinflusst die Entwicklung von naturwissenschaftlichen Fähigkeiten
Wenig überraschend haben Mathematikfähigkeiten einen positiven Einfluss auf naturwissenschaftliche Kompetenzen – doch auch die Lesekompetenz spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Vor allem die Größe des Wortschatzes ist entscheidend und ein echter Türöffner für das MINT-Verständnis. Wer Sprache fördert, stärkt also auch die Kompetenzen von Kindern in Naturwissenschaften. 1
2. Die Ausprägung von Sprach- und Mathekompetenzen bei kleinen Kindern hängt eng zusammen
Schon bei den Jüngsten zeigt sich: Wer sprachlich fit ist, kommt oft auch mit Mathe besser klar. Denn in der frühkindlichen Entwicklung hängen Lese- und Schreibfähigkeit mit Rechenfähigkeiten eng zusammen.2 Interessant ist auch: Die oft zitierte Aufteilung „Mädchen mögen Sprachen, Jungen eher MINT-Fächer“ entwickelt sich erst später.3
3. Verständliche Sprache erhöht die Zufriedenheit von Schüler:innen
Wie eine Lehrkraft spricht, hat direkte Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Schüler:innen. Erklärungen sollten klar und gut strukturiert sein und Sätze sollten möglichst einfach und verständlich formuliert werden.12
4. Kinder fühlen sich wohler, wenn die Lehrenden einladend und informell sprechen
Dass man Schüler:innen mit langen, komplizierten Monologen zur Erklärung eines neuen Themas eher abschreckt, ist sicher keine neue Erkenntnis. Viel eher erreicht man sie, wenn das Lernsetting weniger steif ist und Lehrkräfte Alltagssprache verwenden, ohne dabei auf gut erklärte Fachbegriffe zu verzichten. Wer Kinder zum Mitdenken einlädt und Konzepte gemeinsam mit ihnen erarbeitet, macht MINT-Inhalte für sie zugänglicher.12
5. Sprachbarrieren erschweren das Mathematiklernen deutlich
Sprache und mathematisches Denken sind eng verwoben. Wer zum Beispiel Fachbegriffe nicht versteht, dem fällt auch das generelle Verständnis für mathematische Themen schwer. Sprachbarrieren werden so auch zu Mathe-Barrieren.4
6. Sprachlich benachteiligte Kinder schneiden in Mathe schlechter ab
Es ist daher kein Wunder, dass Kinder mit geringen Deutschkenntnissen auch schlechtere Leistungen in Mathematiktests zeigen: in einer Studie schnitten Schüler:innen, die nur eingeschränkt Deutsch sprechen und verstehen konnten, in den Abschlussprüfungen der 10. Klasse durchschnittlich zwei Noten schlechter ab als ihre sprachlich stärkeren Mitschüler:innen.5 Der Grund: Matheaufgaben sind oft sprachlich komplex. Nicht-mathematische Fachbegriffe wie Erlös oder Mehrwertsteuer und verschachtelte Satzkonstruktionen mit Präpositionen können schnell zur Stolperfalle werden und erschweren das Verständnis – besonders für mehrsprachige Kinder.5
Tipp: Eine Förderung der Sprachkompetenz in der Unterrichtssprache kann solche Hürden verringern. Erklärt gezielt komplexe Fachwörter– etwa aus der Wirtschaft oder sprachliche Strukturen mit direkter Relevanz für das Fach (z. B. Präpositionen) und übt sie gemeinsam mit den Kindern.5
7. Verständnis ist der Schlüssel zum Lernen und Mitmachen
Wenn Kinder eine Erklärung nicht verstehen, verpuffen selbst die besten Ideen der Lehrkräfte. Das konnte eine Studie zeigen. Grundschulkinder, die den Erklärungen der Lehrperson nicht folgen konnten, nutzten Lerngelegenheiten im Mathematikunterricht deutlich seltener als ihre Mitschüler:innen.6
Tipp: Erklärt neue Themen möglichst einfach und erläutert dabei unbekannte Begriffe direkt. So schafft Ihr sprachliche Brücken und fördert das Verständnis von neuen Themen (siehe auch Fakt 8 und 9).
8. Bei mehrsprachigen Kindern ist das Leseverständnis entscheidend für Matheleistungen
Unterschiede in der Matheleistung von Schüler:innen mit verschiedenen Erstsprachen lassen sich in erster Linie darauf zurückführen, wie gut sie Texte auf Deutsch verstehen.7 Auch internationale Studien aus anderen Ländern zeigen: Wer die Unterrichtssprache nicht gut versteht, hat es in Mathe schwer.8,9,10
9. Die Kombination von MINT mit der Herkunftssprache zeigt deutliche Erfolge bei Mehrsprachigkeit
Wenn mehrsprachige Kinder im naturwissenschaftlichen Unterricht auch ihre Erstsprache oder Herkunftssprache nutzen dürfen, profitieren sie deutlich. Studien konnten zeigen, dass sich ihr naturwissenschaftliches Fachwissen und ihre entsprechenden Fähigkeiten dadurch nachweislich verbessern. Die vertraute Sprache hilft, komplexe Inhalte besser zu verstehen und Kenntnisse sicher anzuwenden.11
Tipp: Stellt mehrsprachigen Kindern Übersetzungen in ihrer Erstsprache zur Verfügung, um ihr Verständnis für MINT-Inhalte zu fördern.
10. Die Verknüpfung von wissenschaftlichem Vokabular und Erstsprache fördert das Fachverständnis
Wird die Herkunftssprache von mehrsprachigen Schüler:innen auch in der Lehre verwendet, wirkt sich das ebenfalls positiv aus. Besonders spürbar wird das, wenn wissenschaftliche Fachbegriffe in der Erstsprache verwendet und erklärt werden. Das vertieft das Verständnis von naturwissenschaftlichen Inhalten. Gleichzeitig verbessern sich dadurch auch die sprachlichen Kompetenzen der Kinder – sowohl in der Erstsprache als auch in der Unterrichtssprache.
Das hat das SHLIL-Programm (Science and Heritage Language Integrated Learning) gezeigt.11 Die Teilnehmenden waren motivierter und beteiligten sich aktiver am naturwissenschaftlichen Unterricht.
Außerdem konnten ein besseres interkulturelles Verständnis und mehr gegenseitiger Respekt, sowohl unter den Schüler:innen als auch zwischen Lehrkräften und Lernenden, nachgewiesen werden.
Auf dem MINT-Campus gibt es passende Lernangebote zum Thema:
Diese außerschulischen Projekte der MINT-Community widmen sich der Sprachevielfalt in MINT und fördern die Lesekompetenz in Grundschulen:
1Doabler, C. T., Rojo, M., Gersib, J. A., Fall, A.-M., Longhi, M. A., Lovette, G. E., Roberts, G., Uy, J., Johnson, K., Ghafghazi, S., Phelps, J. B., Powell, S. R., & Therrien, W. J. (2024). Do mathematics and reading skills impact student science outcomes? Journal of Learning Disabilities, 1-16. https://doi.org/10.1177/00222194241263646
2Purpura, D. J., Hume, L. E., Sims, D. M., & Lonigan, C. J. (2011). Early literacy and early numeracy: The value of including early literacy skills in the prediction of numeracy development. Journal of Experimental Child Psychology, 110(4), 647-658. https://doi.org/10.1016/j.jecp.2011.07.004
3Evans, E.M., Schweingruber, H. & Stevenson, H.W. Gender Differences in Interest and Knowledge Acquisition: The United States, Taiwan, and Japan. Sex Roles 47, 153–167 (2002). https://doi.org/10.1023/A:1021047122532
4Wilkinson, L. C. (2019). Learning language and mathematics: A perspective from Linguistics and Education. Linguistics and Education, 49, 86-95. https://doi.org/10.1016/j.linged.2018.03.005
5Gürsoy, E., Benholz, C., Renk, N., Prediger, S., & Büchter, A. (2013). Erlös = Erlösung? – Sprachliche und konzeptuelle Hürden in Prüfungsaufgaben zur Mathematik. Mathematik lehren, 180, 2-6.
6Saalbach, H., Gunzenhauser, C., Kempert, S., & Karbach, J. (2016). Der Einfluss von Mehrsprachigkeit auf mathematische Fähigkeiten bei Grundschulkindern mit niedrigem sozioökonomischen Status. Frühe Bildung, 5(2), 73-81. https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000255
7Greisen, M., Georges, C., Hornung, C., Sonnleitner, P., & Schiltz, C. (2021). Learning mathematics with shackles: How lower reading comprehension in the language of mathematics instruction accounts for lower mathematics achievement in speakers of different home languages. Acta Psychologica, 221, 103456. https://doi.org/10.1016/j.actpsy.2021.103456
8Halai, A., & Karuka, S. (2013). Implementing language-in-education policy in multilingual mathematics classrooms: Pedagogical implications. Eurasia Journal of Mathematics, Science and Technology Education, 9(1), 23-32. https://doi.org/10.12973/eurasia.2013.913a
9Prinsloo, C. H., & Harvey, J. C. (2020). The differing effect of language factors on science and mathematics achievement using TIMSS 2015 data: South Africa. Research in Science Education, 50, 2207-2226. https://doi.org/10.1007/s11165-018-9769-9
10Chronaki, A., & Planas, N. (2018). Language diversity in mathematics education research: A move from language as representation to politics of representation. ZDM – Mathematics Education, 50, 1101-1111. https://doi.org/10.1007/s11858-018-0942-4
11Schiefer, J., Catarino, A. I., Caspari, J., Moscoso, J. A., Afonso, P. M., Golle, J., & Rebuschat, P. (2024). Science and Heritage Language Integrated Learning (SHLIL): Evidence of the effectiveness of an innovative science outreach program for migrant students. Science Education, 108, 983-1014. https://doi.org/10.1002/sce.21860
12Jiang, P., Zhang, X., Ruan, X., Feng, Z., Xiong, B., & Jiang, Y. (2023). A comparative study of high school mathematics teachers’ audible teaching language: A student satisfaction perspective. Frontiers in Psychology, 14, 1108740. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2023.1108740
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