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Mono- und/oder Koedukation?!

Was außerschulische MINT-Angebote für Mädchen wirksam macht

10. Juni 2025 Lesedauer: ca. 7 min
Gender
pexels/Max Fischer

Viele von Euch stehen bei der Gestaltung außerschulischer MINT-Angebote vor der Frage: Nur für Mädchen oder offen für alle – was ist besser? Wir haben uns angeschaut, was die Forschung dazu sagt und was Ihr daraus für die Praxis mitnehmen könnt.

Mono- oder Koedukation allein macht keinen Unterschied

Große Überblicksarbeiten zeigen, dass das Setting allein – mono- oder koedukativ – nicht automatisch zu besseren allgemeinen schulischen Leistungen führt.1, 2 Auch für den schulischen MINT-Bereich bestätigt eine Metaanalyse, dass es keine systematischen Vorteile monoedukativer Schulen in Mathematik und Naturwissenschaften gibt.3 Wo Unterschiede auftreten, sind sie gering und uneinheitlich.

Auch für außerschulische Formate gilt: Nicht die Geschlechterzusammensetzung, sondern die pädagogische Gestaltung macht den Unterschied. Studien zu MINT-Feriencamps zeigen, dass sowohl mono- als auch koedukative Formate das MINT-Selbstkonzept – also die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik –, die Selbstwirksamkeit und die MINT-Identität von Mädchen stärken können – wenn sie sorgfältig konzipiert und umgesetzt sind.4, 5

Mädchen und Jungen lernen in getrennten Gruppen.

Mädchen und Jungen lernen gemeinsam in gemischten Gruppen.

Wann monoedukative Formate hilfreich sein können

Monoedukative Umgebungen können unter bestimmten Bedingungen Mädchen in MINT gezielt stärken – vor allem durch:

  • geschützte Lernräume ohne Vergleichsdruck mit Jungen
  • mehr Möglichkeiten zum Fragen, Ausprobieren und Reflektieren
  • geringere Wirkung von Stereotypen und Leistungsängsten

Besonders deutlich wird das bei Mädchen aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen: Sie erzielten in monoedukativen Gruppen bessere Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften.6

Auch das MINT-bezogene Selbstkonzept lässt sich in monoedukativen Settings gezielt fördern: So berichteten Mädchen in reinen Mädchengruppen von einem stärkeren Selbstkonzept in Physik – bei Jungen machte die Gruppenzusammensetzung hingegen keinen Unterschied.7 Ein möglicher Grund: In monoedukativen Gruppen tritt geschlechtsbezogenes Selbstwissen weniger in den Vordergrund, so dass stereotype Erwartungen an Einfluss verlieren.

Hilfreich sind monoedukative Formate außerdem bei ersten Zugängen zu MINT. Wenn Mädchen noch wenig Vorerfahrung haben, können sie in einem geschützten Rahmen leichter Interesse, Motivation und Selbstvertrauen aufbauen. Eine Studie zu einem MINT+-Programm mit Grundschüler:innen zeigt: Mädchen in monoedukativen Gruppen berichteten von höherer Selbstwirksamkeit, größerem MINT-Interesse und mehr Lernfreude – offenbar, weil sie mehr Raum zum Ausprobieren und Fragenstellen hatten.8

Wann koedukative Formate Vorteile bieten

Auch koedukative Formate können unter bestimmten Bedingungen besonders gut wirken – vor allem, wenn Mädchen bereits Vorerfahrungen mit MINT mitbringen oder wenn der Austausch mit unterschiedlichen Perspektiven im Fokus steht. Sie bieten:

  • Möglichkeiten für soziales Lernen und vielfältige Interaktionen
  • Übungsräume für Kommunikation, Kooperation und Teamarbeit
  • Gelegenheiten, Geschlechterstereotype im Miteinander zu reflektieren

Einige Studien zeigen, dass Mädchen in koedukativen Gruppen tendenziell mehr Selbstvertrauen entwickeln und ihre Kommunikationsfähigkeiten stärken.2 Das kann insbesondere dann hilfreich sein, wenn das Ziel nicht nur die fachliche Auseinandersetzung, sondern auch die Vorbereitung auf diverse berufliche Kontexte ist.

Auch hier gilt: Entscheidend ist nicht das Setting an sich, sondern die Qualität der Umsetzung. Koedukative Formate entfalten ihr Potenzial dann, wenn sie sensibel für unterschiedliche Ausgangslagen gestaltet sind – zum Beispiel durch vielfältige Vorbilder, gendersensible Didaktik und gezielte Unterstützung.

Was in beiden Formaten wirkt

Unabhängig davon, ob mono- oder koedukativ: Entscheidend ist die pädagogische Qualität von Programmen. Wenn sie sorgfältig geplant, auf die Zielgruppe zugeschnitten und durchdacht sind, können sowohl mono- als auch koedukative Formate das MINT-Selbstkonzept, die Selbstwirksamkeit und die Motivation von Mädchen stärken.4, 5 Wichtige Erfolgsfaktoren sind unter anderem kooperatives Lernen, alltagsnahe Inhalte, inspirierende Vorbilder und Raum für Selbstwirksamkeit und eigene Erfahrungen.

Was heißt das für die Praxis?

Die Entscheidung für ein mono- oder koedukatives Format sollte nicht pauschal, sondern kontext- und zielgruppenspezifisch getroffen werden.

Drei Fragen für die Planung

  • Wo stehen die Mädchen? Geht es darum, erste Zugänge zu MINT zu schaffen oder vorhandene Erfahrungen und Kompetenzen weiterzuentwickeln? Für den Einstieg kann ein monoedukatives Setting hilfreich sein. Zur Vertiefung eignen sich häufig koedukative Formate.
  • Was ist das Ziel? Sollen Interesse und Selbstvertrauen gestärkt werden oder geht es um fachliche Vertiefung und Berufsorientierung? Beides ist in beiden Settings möglich – entscheidend ist, ob ein geschützter Rahmen oder Vielfalt und Austausch im Vordergrund stehen sollen.
  • Wie ist das Angebot gestaltet? Gibt es Raum für Kooperation, Reflexion und geeignete weibliche Vorbilder? Solche Elemente sind in mono- und koedukativen Formaten gleichermaßen zentral und tragen zur Wirksamkeit bei.

Vier praktische Empfehlungen – unabhängig vom Setting

  • Zielgruppenorientiert planen: Passt Eure Angebote an Alter, Interessen und Vorerfahrungen der Mädchen an.
  • Freiräume schaffen: Fördert Selbstwirksamkeit durch praxisnahe Aufgaben, kooperative Lernformate und gendersensible Didaktik.
  • Reflexion ermöglichen: Plant Zeit für Austausch über Erfahrungen, Rollenbilder und Perspektiven ein.
  • Langfristig denken: Einzelne Impulse sind wichtig – entscheidend ist ein nachhaltiges, gendersensibles Gesamtkonzept.

Unser Fazit

Mono- oder Koedukation? Die Frage ist nicht „entweder – oder“, sondern „wann – wie – für wen?“. Wichtig ist, das Setting bewusst zu wählen und die Zielgruppe im Blick zu behalten. Gute MINT-Förderung für Mädchen lebt von differenzierten Formaten, klaren Zielen und gendersensibler Umsetzung – damit Mädchen in ihrer Vielfalt gestärkt werden, ihren eigenen Weg in MINT zu gehen.

Veranstaltungstipp

Ihr habt Fragen, sucht mehr Input oder wollt Euch mit anderen MINT-Bildungsanbieter:innen vernetzen? Dann kommt zu unserem nächsten MINTcafé Gender! Im Mittelpunkt steht dieses Mal die Frage „Mono- und/oder Koedukation?!“ mit Impulsen aus Forschung und Praxis sowie Raum für Austausch und Diskussion.

24. Juli 2025, 12:30–14:00 Uhr: MINTcafé Gender zum Thema Mono- und/oder Koedukation?!

1 Robinson, D. B., Mitton, J., Hadley, G., & Kettley, M. (2021). Single-sex education in the 21st century: A 20-year scoping review of the literature. Teaching and Teacher Education, 106, 103462. https://doi.org/10.1016/j.tate.2021.103462.

2 Ciftci, S. K., Karadag, E., & Cin, F. M. (2024). Between gendered walls: Assessing the impact of single-sex and co-education on student achievement, self-confidence, and communication skills. Women’s Studies International Forum, 107, 103003. https://doi.org/10.1016/j.wsif.2024.103003.

3 Pahlke, E., Hyde, J. S., & Allison, C. M. (2014). The effects of single-sex compared with coeducational schooling on students performance and attitudes: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 140(4), 1042–1072. https://doi.org/10.1037/a0035740.

4 Roberts, K., & Hughes, R. (2019). Girls’ STEM identity growth in co-educational and single-sex STEM summer camps. The Journal of STEM Outreach, 2(1). https://doi.org/10.15695/jstem/v2i1.07.

5 Sanders, M. M., Calabrese, J. E., Gooden, M., & Capraro, M. M. (2024). STEMing together: A comparison of co-ed and all-female informal learning environments. Journal of Research in Innovative Teaching & Learning. Advance online publication. https://doi.org/10.1108/JRIT-10-2023-0163.

6 Smith, A., & Evans, T. (2024). Gender gap in STEM pathways: The role of gender-segregated schooling in mathematics and science performance. New Zealand Journal of Educational Studies, 59(1), 269–287. https://doi.org/10.1007/s40841-024-00320-y.

7 Kessels, U., & Hannover, B. (2008). When being a girl matters less: Accessibility of gender-related self-knowledge in single-sex and coeducational classes and its impact on students’ physics-related self-concept of ability. The British Journal of Educational Psychology, 78(Pt 2), 273–289. https://doi.org/10.1348/000709907X215938.

8 Ma, L., Luo, H., Liao, X., & Li, J. (2022). Impact of gender on STEAM education in elementary school: From individuals to group compositions. Behavioral Sciences, 12(9). https://doi.org/10.3390/bs12090308.

Ansprechpartner:innen

Susanne Schober

MINT & Gender

Dr. Michael Heilemann

MINT & Gender

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