Zwei Wege zur Wirkung
Ob wissenschaftlich oder praxisnah – was die beiden Ansätze unterscheidet, wie sie sich ergänzen, und wie Ihr die Wirksamkeit Eurer MINT-Angebote für Mädchen weiterentwickeln könnt.
Bereits in einem früheren Blogbeitrag haben wir uns mit der Frage beschäftigt, warum es wichtig ist, die Wirksamkeit von MINT-Angeboten für Mädchen zu evaluieren, was eine fundierte Evaluation ausmacht und wie erste Schritte gelingen können. Dieses Mal schauen wir uns folgende Fragestellungen genauer an: Was unterscheidet wissenschaftliche und praxisnahe Evaluationen? Welcher Ansatz ist wann sinnvoll, und was bedeutet das konkret für Euch in der Praxis?
Evaluation ist nicht gleich Evaluation
„Wir evaluieren unser Angebot“ kann vieles bedeuten: vom einfachen Feedback-Fragebogen bis hin zur mehrjährigen Vergleichsstudie. Wichtig ist: Wissenschaftliche Evaluationen und Praxisevaluationen unterscheiden sich deutlich in ihrer Zielsetzung, Methodik und Aussagekraft.
Wissenschaftliche Evaluation: Erkenntnisse mit Allgemeingültigkeit
Wissenschaftliche Evaluationen verfolgen das Ziel, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Sie wollen herausfinden, ob ein bestimmtes Format oder eine Intervention grundsätzlich wirksam ist – und das über die untersuchte Gruppe hinaus, sofern die Teilnehmenden eine größere Zielgruppe repräsentieren und vergleichbare Bedingungen vorliegen. Solche Evaluationen werden in der Regel von Wissenschaftler:innen, meist in Kooperation mit Hochschulen, durchgeführt.
Typische Merkmale wissenschaftlicher Evaluationen sind:
- theoriegeleitetes und systematisches Vorgehen
- größere, idealerweise repräsentative Stichproben (z. B. 100 bis 300 Teilnehmende, um belastbare Aussagen treffen zu können)
- erprobte und verlässliche Erhebungsinstrumente, z. B. standardisierte Fragebögen
- geeignete Vergleichs- oder Kontrollgruppen, um Wirkzusammenhänge nachweisen zu können
Das Ziel ist es, herauszufinden, was wie, warum und unter welchen Bedingungen wirkt. Solche Evaluationen erweitern das Wissen über Wirkfaktoren in der MINT-Bildung, etwa zur Förderung von Motivation, Selbstwirksamkeit oder zur Bedeutung von Rollenmodellen.
Die Ergebnisse gelten bei sorgfältiger Durchführung als verallgemeinerbar. Sie können dadurch anderen Projekten als Best Practices dienen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen des evaluierten Projekts interpretiert werden.
Da wissenschaftliche Befunde oft komplex und theoriebasiert sind, ist ein praxisnaher Transfer entscheidend. Erst durch die Übersetzung in verständliche, anwendungsorientierte Formate werden die Erkenntnisse für die konkrete Projektarbeit nutzbar, etwa durch Angebote wie unsere MINT & Gender News oder die Beiträge von MesH_MINT.
Kurz gesagt: Wissenschaftliche Evaluationen zeichnen sich durch stringente Methodik, klare Studiendesigns (z. B. Längsschnittstudien über mehrere Zeitpunkte hinweg oder den Einsatz von Kontrollgruppen) und einen Fokus auf generalisierbares Wissen aus. Ihre Ergebnisse können politische Entscheidungen unterstützen, Qualitätsstandards prägen oder zur Weiterentwicklung des eigenen sowie anderer MINT-Angebote beitragen.
Praxisevaluation: Lernen aus der eigenen Umsetzung
Bei Praxisevaluationen steht ein anderes Ziel im Fokus: die Qualität und Wirkung eines konkreten Bildungsangebots im jeweiligen Umsetzungskontext zu erfassen und zu verbessern, und zwar bezogen auf eine bestimmte Zielgruppe und ohne den Anspruch, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Ziel ist es, herauszufinden: Was lernen die Teilnehmenden? Wie erleben sie das Angebot? Wo liegt Verbesserungspotenzial? Solche Evaluationen lassen sich in der Regel ohne wissenschaftliche Begleitung umsetzen, Ihr könnt sie also selbst durchführen.
Typische Merkmale praxisnaher Evaluationen sind:
- praxisorientiertes und flexibles Vorgehen
- kleinere Stichproben
- einfache, zielgruppengerechte Erhebungsinstrumente (z. B. kurze Fragebögen, Interviews oder Beobachtungen)
- Verzicht auf Kontrollgruppen, stattdessen Fokus auf Beobachtungen und Rückmeldungen aus der konkreten Umsetzungspraxis
Die Ergebnisse solcher Evaluationen sind konkret und praxisnah, aber nicht verallgemeinerbar. Sie gelten für das jeweilige Projekt, nicht automatisch für andere Kontexte. Trotzdem liefern sie wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung, etwa bei der Anpassung von Methoden oder bei der passgenauen Gestaltung von Formaten.
Praxisevaluationen sind besonders geeignet, wenn zeitliche, personelle oder finanzielle Ressourcen begrenzt sind. Sie lassen sich häufig niedrigschwellig, alltagsnah und ressourcenschonend umsetzen.
Kurz gesagt: Praxisevaluationen zeichnen sich durch ihre Flexibilität, eine relativ einfache Methodik und zeitnahe Rückmeldungen aus. Sie helfen, die Qualität von Angeboten zu sichern und sie gezielt weiterzuentwickeln, besonders dann, wenn eine wissenschaftliche Evaluation nicht möglich oder nicht notwendig ist.
Beide Ansätze im Zusammenspiel
Während wissenschaftliche Evaluationen darauf abzielen, generalisierbare Erkenntnisse zu produzieren und Theorien weiterzuentwickeln, geht es bei Praxisevaluationen um die konkrete Verbesserung eines Bildungsangebots.
Beide Formen der Evaluation haben ihre Berechtigung und ergänzen sich gegenseitig. Praktiker:innen profitieren von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen, die sie auf ihre Projektarbeit übertragen können. Forschende wiederum erhalten aus der Praxis wertvolle Impulse für neue Fragestellungen.
Letztlich verfolgen beide Ansätze dasselbe Ziel: die Qualität und Wirksamkeit von Bildungsangeboten zu sichern und weiterzuentwickeln. Wer die Möglichkeiten und Grenzen beider Ansätze kennt, kann gezielt entscheiden, wie Erkenntnisse gewonnen und für die Weiterentwicklung von MINT-Angeboten für Mädchen genutzt werden.
Veranstaltungstipp:
- MINTcafé Gender: Effektivität & Evaluation II
- 11. November 2025, 12:30–14:00 Uhr
- mit Impulsen aus Theorie und Praxis, plus Raum für Austausch und Vernetzung
Anmeldung über unsere Community-Plattform, dieses Mal im Rahmen der MINTvernetzt-Aktionstage: https://community.mint-vernetzt.de/event/mintcafegender-mghrxt8k
Nationales MINT Forum e. V. (Hrsg.) (2023). Wirkungsvolle Arbeit außerschulischer MINT-Initiativen. Ein praktischer Leitfaden zur Selbstanalyse.
Wolf, E., & Brenning, S. (2021). Wirkung messen. Handbuch zur Evaluation von MINT-Projekten für Schülerinnen.
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