Angebotsumsetzung
Lernreise Teilhabe, Station 7: Praxisorientierte Anleitungen zu den Lernstationen 1-6 und wie ihr Euch kontinuierlich reflektiert.
In dieser abschließenden Einheit geht es darum, Euch eine Übersicht darüber zu geben, wie sich die Erkenntnisse aus den vorherigen Stationen 1-6 in der Praxis umsetzen lassen. Das soll Euch dabei helfen, praxisorientierte und maßgeschneiderte Bildungsangebote zu entwickeln, die den Bedürfnissen und Interessen der Zielgruppe entsprechen. Die Angebote sollen bildend und ansprechend gestaltet sein und sowohl flexible Lernumgebungen als auch thematische Relevanz bieten. Darüber hinaus ist es essenziell, die kontinuierliche Selbstreflexion und Evaluierung der Angebote zu fördern, um deren Qualität und Relevanz sicherzustellen und kontinuierlich zu verbessern.
Projekte an die Lebenswelten der Teilnehmenden anpassen:
Um Schüler:innen für Eure Angebote gewinnen zu können, ist es wichtig, ihre Lebenswelt mitzudenken.
- Alltag der Teilnehmenden: Stellt Euch im ersten Schritt die Fragen: „Womit beschäftigen sie sich gerade in ihrem Alltag?“ „Was treibt sie um und interessiert sie?”
- Integration der Themen: Sport, Gaming, Social Media, Beauty. Prüft im zweiten Schritt, wie Ihr Euer Angebot mit den Lebenswelten der Schüler:innen verbinden könnt.
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Themen aus der eigenen Lebenswelt erhöhen die Motivation und Lernbereitschaft enorm.
- Verknüpfung mit anderen Disziplinen: Vorteile der Integration von MINT-Themen mit anderen Disziplinen.
Ausgangspunkt sollte der Bedarf der Zielgruppe sein. Welche Themenbereiche und Kompetenzen sind von besonderem Interesse? Wo gibt es Lücken im bestehenden Förderangebot? Und welche Angebote haben einen besonders großen Nutzen für die Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen? Je anschlussfähiger die Inhalte an die Alltagserfahrungen der Zielgruppe sind, desto eher werden sie angenommen und als relevant empfunden. Prüft außerdem die didaktischen Methoden Eures Lernangebots auf ungewollte Exklusivität und mögliche Triggerpunkte für Diskriminierung.
Zum Weiterlesen:
- Diakonie Deutschland: Projekt zur Förderung der Bildung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen
- FUMA Fachstelle Gender & Diversität NRW: Methodencheck
- Richards, H. V.; Brown, A. F. & Forde, T. B.: Addressing Diversity in Schools: Culturally Responsive Pedagogy
Viele Kinder und Jugendliche empfinden MINT-Themen als zu abstrakt. Der Zusammenhang zum eigenen Leben und zu gesellschaftlichen Themen ist für sie oft unklar. Doch sobald Ihr es schafft, einen Bezug zum Alltag der Teilnehmenden herzustellen, wird MINT-Wissen für sie greifbar und lebendig. Diese Kontextualisierung ist wichtig, um Kindern und Jugendlichen die Relevanz von MINT für alle Lebensbereiche zu veranschaulichen. Dabei kann und wird sich die Lebensrealität von Kindern natürlich je nach individueller und aktueller Lebenssituation unterscheiden. Es ist also wichtig, Inhalte, Experimente oder Referenzen für das eigene MINT-Angebot auszuwählen, mit denen die Teilnehmenden wirklich etwas anfangen und zu denen sie aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz beitragen können.
Zum Weiterlesen:
- MINTvernetzt: Lernen im Kontext
- Kuhn, J., Müller, A. (2014): Context-based science education by newspaper story problems: A study on motivation and learning effects
Die Verbindung von MINT mit anderen Disziplinen wie Kunst oder mit gesellschaftlichen Themen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit (MINT+) kann helfen, eine diversere Zielgruppe anzusprechen. Zusätzlich werden so neben MINT-spezifischen auch andere Fähigkeiten gefördert. Dazu gehören etwa Lesen, flüssiges Schreiben und Problemlösungsvermögen, aber auch soziale und emotionale Kompetenzen.
Kreative Ansätze und eine Kontextualisierung von MINT haben sich nachweislich als wirksam erwiesen, um mehr unterrepräsentierte Gruppen wie Mädchen oder Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien für MINT-Themen zu begeistern. Der Grund: Der interdisziplinäre Ansatz hilft, mentale Barrieren und MINT-Stereotype abzubauen. Über den Bezug zu anderen Fach- und gesellschaftlichen Bereichen sind MINT-Themen für diese Kinder leichter zugänglich.
Zum Weiterlesen:
- Centre for Social Innovation (2023): ROADSTEAMER. Socio-economic context and relevant needs
- MINTvernetzt: MINT+ oder warum wir den Blick über den Tellerrand wagen sollten
- Education Comission of the States (2022): Research and Policy Implications of STEAM Education for Young Students
Ein grundlegender Aspekt: Der Lernort selbst sollte ohne großen finanziellen oder zeitlichen Aufwand zu erreichen sein. Multifunktionale Räumlichkeiten mit Bereichen für verschiedene Aktivitäten helfen dabei, ein individualisiertes und differenziertes Lernangebot zu schaffen, in dem sich Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Leistungsniveaus aufgehoben fühlen. Bei der Auswahl von Dekorationen wie Postern oder Bildern solltet Ihr solche wählen, die Vielfalt und Inklusion widerspiegeln und gängige Stereotype von MINT-Berufen aufbrechen. Wenn möglich, bezieht die Teilnehmenden in die Gestaltung der Räume mit ein. Das stärkt nicht nur das Gefühl von Teilhabe und Gemeinschaft, sondern auch ihr Selbsterleben als kompetente und mündige Person.
Zum Weiterlesen:
- Institut für internationale Zusammenarbeit in Bildungsfragen: Vorurteilsbewusste Lernumgebung
- Universität Nürnberg, Büro für Gender und Diversity: Tipps für Lehrende zur Gestaltung von gender- und diversitätssensiblen Lernumgebungen
Um Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien auch mittel- und langfristig in Euren MINT-Angeboten zu halten, braucht es eine kritische Reflektion – und ggf. eine Anpassung – der eigenen Organisationsstrukturen. Gibt es MINT-Lehrende, Mentor:innen oder Role Models, mit denen sich die Zielgruppe identifizieren kann? Braucht Ihr Mitarbeitende, die bestimmte Sprachen sprechen und bei der Übersetzung helfen können? Und gibt es ein Bewusstsein für diverse Diskriminierungsformen auf allen Ebenen der Organisation?
Zum Weiterlesen:
- Berliner Landeszentrale für politische Bildung: Praxischeck: Vielfalt – Beteiligung – Inklusion
- FUMA Fachstelle Gender & Diversität NRW: How to be aware?!
- Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA): Glossar der Neuen deutschen Medienmacher
Anerkennung und Wertschätzung vermitteln:
So wie Vertrauen spielen auch Anerkennung und Wertschätzung eine wichtige Rolle, um diese Zielgruppe nachhaltig zu gewinnen.
- Erkennen und Danken: Anerkennung beginnt hier schon beim Erscheinen zu Deinem Bildungsangebot. Drücke Dank und Freude über ihre Teilnahme aus.
- Berücksichtigung kultureller Besonderheiten: Wertschätzung kann sich durch die Berücksichtigung besonderer Feiertage oder kultureller Besonderheiten (z.B. Fastenmonat Ramadan) zeigen.
- Verpflegung: Bietet Verpflegung während der Veranstaltungen an, nicht alle Kinder bekommen Snackboxen von zuhause mit.
- Ergebnisse feiern: Feiere die Ergebnisse und Erfolge der Teilnehmenden, z.B. durch kleine Abschlussfeiern.
- Eltern einbeziehen: Ladet auch die Eltern zu bestimmten Anlässen ein, um ihnen die Erfolge ihrer Kinder zu zeigen.
- Goodie Bags: Verteilt kleine Goodie Bags oder Erinnerungsstücke als Zeichen der Wertschätzung.
- Selbstwirksamkeit fördern: Ermutigt die Teilnehmenden, eigene Ideen und Projekte vorzustellen und zu realisieren. Lobt ihre Beiträge öffentlich, um ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstwirksamkeit zu stärken.
Kontinuierliche Selbstreflexion und Evaluierung:
Kontinuierliche Selbstreflexion und Evaluierung sind essenziell, um die Qualität und Relevanz der Bildungsangebote sicherzustellen und kontinuierlich zu verbessern.
- Formate schaffen: Implementiert regelmäßige Reflexions- und Feedbackrunden im Team.
- Externe Unterstützung: Holt Euch Unterstützung von wissenschaftlichen Berater:innen oder externen Evaluator:innen um Eure Arbeit selbstkritisch zu reflektieren und weiterzuentwickeln.
- Diversitätssensibilität und Diskriminierungskritik: Setzt diese Themen immer wieder in den Fokus Eurer selbstkritischen Reflexionen, um kontinuierliche Verbesserungen zu erzielen.
- Zielerreichung überprüfen: Besprecht im Projektteam, ob Ihr Eure Ziele erreicht habt und was gut gelaufen ist bzw. was Ihr noch verbessern könnt.
Und jetzt: viel Erfolg beim Umsetzen! Wir freuen uns sehr über Feedback – was hat funktioniert, was weniger, welche zusätzlichen Tipps habt Ihr? Schreibt mir gerne Eure Erfahrungen!
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