Eine offene Werkstatt für alle
Franka Heers und Nele Schmidt über ihr FabLab IDEENREICH
Auf dem Campus der Hochschule Flensburg gibt es einen außerschulischen Lernort, der Studierende, Schüler:innen, Start-ups sowie Bürger:innen der Region in verschiedenen Angeboten dazu ermächtigt, eigene Ideen umzusetzen. Das FabLab IDEENREICH versteht sich als offene Werkstatt für alle. Wir sprachen mit Franka Heers und Nele Schmidt.
Nele und Franka, zu Euch ins FabLab IDEENREICH kommen ganz unterschiedliche Menschen, alle mit einem anderen Wissensstand. Was viele eint: Ihnen spukt eine Idee im Kopf herum, sie wollen ins Tun kommen. Wie gelingt das?
Nele: Wir bieten einen kreativen Raum, wo man sich einfach mal ausprobieren kann. Digitale Fertigung eignet sich super, um schnell erste einfache Prototypen zu bauen. Generell ist es wichtig, dass man mit anderen Menschen über seine Ideen spricht und sie begreifbar macht. Das kann im ersten Schritt auch schnell mit Pappe und Papier sein.
Franka: Wir motivieren immer dazu, einfach mal auszuprobieren. Wenn es nicht klappt, dann machen wir es eben neu und anders – und haben daraus gelernt. Ganz wichtig ist, dass man bei uns Fehler machen darf.
Ihr seid in Flensburg auf dem Hochschul-Campus. Wie kann man sich Eure Räumlichkeiten vorstellen?
Nele: Wir sind in einem kleinen Containergebäude, das auf einem ehemaligen Parkplatz steht. Unser FabLab hat verschiedene Räume, die thematisch aufgeteilt sind: ein Ideenlabor, ein Raum für sozialen Austausch und Ideenentwicklung, eine digitale Werkstatt mit 3D-Druckern, Lasercutter und CNC-Fräse, eine kleine Holzwerkstatt sowie ein Studio. Wenn wir die Raumaufteilung hätten mitgestalten können, dann hätten wir noch lieber einen großen Makerspace statt vieler kleiner Werkstätten.
Welche Projekte kommen bei Schülerinnen und Schülern besonders gut an?
Franka: Unabhängig von der Altersstufe – die jüngsten waren eine dritte Klasse – lieben Schülerinnen und Schüler es, wenn sie etwas selbst machen können. Deshalb ist es uns wichtig, dass alle am Ende ein eigenes Produkt in den Händen halten, das mit nach Hause genommen werden kann. Besonders die Arbeit mit dem 3D-Drucker macht den Lernenden Spaß, da sie davon oft schon gehört haben und erstaunt sind, wie schnell sie ein eigenes Produkt entwickeln können. Das kann zum Beispiel ein Produkt mit dem eigenen Namen sein, wie ein Kühlschrankmagnet oder Schlüsselanhänger.
Nele: Eine Oberstufenklasse war mit dem Philosophiekurs bei uns. Sie hatten im Unterricht darüber gesprochen, was der Unterschied zwischen Kunst und Design ist. Wir kamen ins Handeln, designten und gestalteten Lampen. Am Ende nahmen alle Teilnehmenden eine eigene Nachttischlampe mit nach Hause, ein echtes Produkt, das sie benutzen können.
Sprecht Ihr Mädchen anders an als Jungs?
Franka: Wir achten auf jeden Fall auf gendersensible Ansprachen, die eigentliche Ansprache gelingt uns aber über den Kontext. In der Vergangenheit haben wir auch mal Ferienworkshops explizit nur für Mädchen angeboten. Dann merkten wir aber, dass wir diese Einschränkung, dass sich nur Mädchen anmelden dürfen, gar nicht brauchen, denn die Zielgruppe erreichen wir auch darüber, wie unsere Workshops gestaltet sind. Ich persönlich finde es schöner, wenn wir unsere Angebote offen für alle machen.
Wie erreicht Ihr Mädchen über den Kontext?
Franka: Indem wir die gestalterischen und kreativen Aspekte in den Vordergrund stellen und nicht das Hochtechnisierte. Frauen und Mädchen fühlen sich dadurch angesprochen. Die Jungs aber auch, sie interessieren sich häufig sowieso für Sachen, die mit Technik funktionieren, und da reicht es, wenn im Nebensatz der Begriff „3D-Druck“ fällt.
Habt Ihr auch schon die Erfahrung gemacht, dass Ihr Mädchen nicht mitnehmen konntet?
Nele: Wenn wir bewerben, dass es bei einer Ferienaktion wenige Plätze gibt und dass man sich schnell anmelden soll, schreckt das Mädchen ab, das ist mein Gefühl. Auch Wettbewerbe scheinen sie nicht besonders anziehend zu finden. Das ist ihnen vielleicht mit zu viel Druck verbunden oder spricht sie einfach nicht an. Wenn es kompetitiv wird, ist das hingegen eine super Motivation für Jungs. Wer baut das schnellste Auto? Wir kennen das von den Maschinenbau-Studis gut, da sind sie sofort Feuer und Flamme.
Franka: Das heißt aber nicht, dass Mädchen das alles nicht können. Als außerschulischer Lernort sind wir außen vor vom Bewertungskontext in der Schule. Wenn wir aber eine Schulklasse über eine Projektwoche begleiten, dann müssen wir sie auch bewerten. Deshalb gibt es eine Präsentation, nach deren Ende es Preise für die innovativste Idee oder den technisch ausgereiftesten Entwurf gibt. Da präsentieren die Mädchen mindestens genauso selbstbewusst und gut wie die Jungs – und heimsen auch die Preise von unserer unabhängigen Jury ein.
Was motiviert Mädchen, wenn es Wettbewerbe nicht sind?
Franka: Das Thema der Projektwoche ist ein gutes Beispiel: Gestalte den Umgang mit Müll neu. Es ging darum, sich mit dem Abfall in unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen und Lösungsansätze zu finden. Es wurden technische Prototypen gebaut. Die Motivation ist eine ganz andere, wenn Mädchen das Thema für relevant erachten. Das können künstlerisch-gestalterische Projekte sein, aber auch ökonomische, ökologische und gesellschaftlich relevante Themen.
Wo lasst Ihr Euch für Eure Arbeit inspirieren?
Nele: Manchmal googele ich einen Begriff wie „3D print easy project“ und schaue, was andere dazu schon gemacht haben, zum Beispiel bei Instructables. In Dänemark gibt es tolle Projekte, die ihre Materialien und Projektideen veröffentlichen, wie das Netzwerk FabLab@schools. Wir sitzen ja hier direkt an der Grenze und tauschen uns gern mit den FabLabs dort aus.
Franka: Maker Education ist im deutschsprachigen Bildungsraum noch ein relativ neues Thema. Es meint das Umsetzen von Ideen mit digitalen Technologien – und das in den Bildungsbereich zu integrieren. Es geht auch um didaktische Ansätze. Dass man etwa ein offenes Lernsetting hat, das Produkt in den Vordergrund stellt und Fehler machen erlaubt ist. Inzwischen gibt es Handbücher mit Beispielen, wie man Making-Aktivitäten in der Schule integrieren kann, da lassen wir uns auch inspirieren.
Was ist für Euch das schönste Feedback?
Franka: Für uns ist es das Tollste, wenn Schülerinnen und Schüler, die mal mit ihrer Klasse hier waren, später im OpenLab – also in der offenen Werkstattzeit – auftauchen. Wenn sie komplett intrinsisch motiviert wiederkommen und dann weitertüfteln. Sie schreiben uns auch manchmal eine Mail und erzählen von ihrer Projektidee.
Und in welchen Momenten macht Euch die Arbeit am meisten Spaß?
Franka: Die Momente, in denen ich merke, dass wir Menschen, die vorher gar nicht wussten, wie gerne sie mit digitalen Tools ihre eigenen Ideen umsetzen, begeistern können, sind die besten. Das Erste, was einem bei dem Gedanken an einen technischen Lernort kommt, ist ja: Hier kommen technische Wahlpflichtkurse her, um ihre programmierten Roboter zu verfeinern. So wollten wir es nicht machen, sondern innovative gestalterische Projekte anbieten.
Nele: Ich habe mal einen OpenLab-Workshop angeboten, bei dem ein kleiner Micro-Controller programmiert wurde. Da haben ein Neunjähriger und ein technikaffiner Rentner, etwa Ende 60, zusammen getüftelt. Das war wirklich schön zu beobachten. Wir befähigen in den verschiedenen Angeboten alle möglichen Menschen dazu, ihre Ideen umzusetzen. Das ist für mich eine große Motivation.
Franka Heers, 34, studierte Maschinenbau an der Hochschule Flensburg und arbeitete als Konstrukteurin in Hamburg. Sie ging zurück an den Flensburger Campus, um noch ein zusätzliches Studium der Berufspädagogik zu machen. Seit ihrem Abschluss arbeitet Franka Heers im FabLab IDEENREICH, sie hat die Stelle für pädagogische Konzeptionierung eines außerschulischen Lernorts inne.
Nele Schmidt, 28, hat einen Bachelor in Ingenieurwesen und Design. Sie arbeitete in einer Designagentur und machte im Anschluss einen Master in IT und Produktdesign. Nele Schmidt arbeitete bereits während ihres Studiums in einem Makerspace und brachte dort Studierenden digitale Fertigung näher. 2018 kam sie über ein Praktikum ins FabLab IDEENREICH und schrieb hier auch ihre Masterarbeit. Heute ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im FabLab. Prototyping und Entrepreneurship sind die Schwerpunkte ihrer Arbeit.
Dieses Interview ist Teil unseres Themenspezials über gendersensibles Lehren und Lernen. Lest mehr!
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