Vier Tipps für die gendersensible Ansprache
So gewinnt Ihr Mädchen und Frauen langfristig für MINT
Wie könnt Ihr als MINT-Bildungsanbieter:innen möglichst viele Mädchen für Eure Angebote und Projekte gewinnen? Ein wichtiger Aspekt, auf den Ihr Einfluss nehmen könnt, ist eine motivierende und gendersensible Ansprache. In diesem Beitrag erfahrt Ihr, worauf Ihr dabei achten könnt.
Die soziale Umwelt wie Familie, Freundeskreis und auch die Medien vermitteln Kindern von klein auf zahlreiche stereotype Verhaltensmuster und Vorstellungen. Dazu gehört auch das Stereotyp vom MINT-begabten Mann und von der MINT-unbegabten Frau. Das geschieht beispielsweise durch stereotype Rollenvorbilder in Kinder-, Jugend- und Schulbüchern und anderen Medien oder durch mädchen- und jungenspezifische Spielzeugangebote. Mädchen glauben deswegen, dass sie in MINT weniger erfolgreich sein werden, und schätzen – auch bei gleichen Leistungen – ihre MINT-Fähigkeiten schlechter ein als Jungen.
Mit Euren Bildungsangeboten könnt Ihr dabei helfen, diese Rollenbilder aufzubrechen – und gleichzeitig Eure Zielgruppe erweitern! Denn auch für die Bewerbung von MINT-Bildungsangeboten gilt: Wenn Vorurteile transportiert werden, fühlen sich Mädchen und junge Frauen nicht angesprochen.
Wie sprecht Ihr also Mädchen und junge Frauen an, um sie für Eure Angebote zu gewinnen und nachhaltig für MINT zu begeistern? Wir geben Euch vier praktische Empfehlungen zur bildlichen und textlichen Gestaltung Eurer Angebote, Produkte und Materialien an die Hand.
1. Rollenmodelle einbinden!
Studien zeigen, dass medial präsentierte Rollenmodelle viele positive Effekte haben. Beispielsweise genügt es bereits, eine MINT-begabte weibliche Hauptperson in einem Spielfilm für etwa 20 Minuten zu präsentieren, um bei Schülerinnen das Vertrauen in die eigenen MINT-Fähigkeiten, das MINT-Interesse und die Wahlintentionen für MINT positiv zu beeinflussen.1 Wenn Ihr geeignete weibliche Rollenmodelle in die visuelle Außendarstellung Eurer Projekte und Angebote einbindet, kann das eine große Wirkung haben. Denn Bilder spielen eine wichtige Rolle bei der Übermittlung von Botschaften. Sie ziehen sofort unsere Aufmerksamkeit auf sich und ergänzen die Botschaften, die Texte und Überschriften vermitteln. Deshalb ist es sinnvoll, Bildmaterial gendersensibel auszuwählen.2 Dazu gehört auch, weibliche MINT-Rollenmodelle in Abbildungen, zum Beispiel auf der Website, auf Flyern und Plakaten sowie auf Social Media, darzustellen.
2. Stereotype vermeiden!
Auch medial dargebotene Geschlechterrollenstereotype haben Auswirkungen:3 Kinder spielen beispielsweise signifikant länger mit geschlechtstypischen Spielsachen, nachdem ihnen Inhalte gezeigt wurden, die den traditionellen Geschlechterrollen entsprechen. Auch Jugendliche werden durch entsprechende Inhalte in ihrem Wunsch beeinflusst, typisch weibliche beziehungsweise typisch männliche Berufe auszuüben.
Bei der Auswahl von Bildern oder kurzen Videoclips könnt Ihr darauf achten, die traditionellen Geschlechterrollen ganz bewusst aufzulösen, indem Ihr Mädchen und Frauen bei MINT-typischen Tätigkeiten darstellt, beispielsweise in einem Chemielabor oder als Ingenieurinnen und Elektrotechnikerinnen. Wenn Ihr in Euren Angeboten sowohl Jungen als auch Mädchen erreichen möchtet, könnt Ihr natürlich auch Jungen und Männer bei MINT-Tätigkeiten abbilden. Hier ist es wichtig, auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu achten. Außerdem könnt Ihr ein Auge auf die Feinheiten in der Darstellung haben: Wird der Junge im technischen Beruf abgebildet, während das Mädchen bei Bürotätigkeiten gezeigt wird? Werden Mädchen als weniger kompetent in MINT dargestellt, weil die Jungen ihnen die Gruppenarbeit im Workshop erklären? Dann nutzt lieber alternatives Bild- oder Filmmaterial.
3. MINT kontextualisieren!
Um Mädchen und Frauen für MINT zu begeistern und zu gewinnen, ist es außerdem wichtig, technische Darstellungen in einen größeren, Sinn stiftenden Kontext einzubetten.4 Mädchen möchten wissen, zu welchen Lösungen Technik und Naturwissenschaften für unsere Gesellschaft oder unsere Umwelt beitragen können. Statt nur ein Auto abzubilden, könnte man zum Beispiel mit einer beigefügten Textbotschaft verdeutlichen, wie Schüler:innen an Konzepten für die klimaschonende Mobilität der Zukunft arbeiten.
Auch in Projekt-Beschreibungen und Workshop-Inhalten könnt Ihr kontextuelle Zusammenhänge zwischen MINT und den gesellschaftlichen Themen unserer Zeit hervorheben und sichtbar machen. Zum Beispiel, wie mit MINT technische Lösungen für viele Herausforderungen des Klimawandels gefunden werden können. Hier ist es auch hilfreich, konkrete Anwendungsbezüge zu Alltagskontexten – wie funktioniert beispielsweise ein Touchscreen? – herzustellen, um die Relevanz von MINT in der eigenen Lebenswelt aufzuzeigen.
4. Genderfaire Sprache verwenden!
Stellt Euch Informatiker vor, die gerade ein Computerspiel programmieren! Oder Ingenieure, die einen neuen Prototyp testen! Die Mehrheit wird sich automatisch männliche Personen vorstellen.2 Verwendet deshalb auch die weibliche Form, um Mädchen und Frauen als Eure Zielgruppe anzusprechen, und schreibt Schülerinnen und Schüler bzw. Informatikerinnen und Informatiker. Eine weitere Möglichkeit bieten beispielsweise der Gender-Doppelpunkt (z. B. Schüler:innen, Ingenieur:innen) oder auch neutrale Formen (z. B. Schulkinder, Studierende, Lehrkräfte).
So konnte eine Studie zum Thema gendersensible Sprache negative Effekte auf das Interesse von Frauen zeigen, wenn nur männliche Formen in Stellenanzeigen für die entsprechenden Berufe verwendet wurden.5 Eine andere Studie konnte nachweisen, dass Berufsbezeichnungen in Paarformen (z. B. Ingenieurinnen und Ingenieure) die Selbstwirksamkeit von Grundschulkindern in Bezug auf traditionell männliche Berufe erhöhten.6
Vor allem im Bereich der MINT-Berufsfelder ist es besonders wichtig, nicht nur Männer, sondern auch Frauen sprachlich sichtbar zu machen, um die Zielgruppe Mädchen und Frauen zu erreichen. Dies gilt nicht nur für den eigentlichen Text, sondern insbesondere auch für Überschriften, da diese wie Bilder eine wichtige Funktion haben, um das weitere Interesse zu wecken.
Weitere Handlungsempfehlungen und anschauliche Best-Practice-Beispiele findet Ihr im Abschnitt „Gendersensible Ansprache in Wort und Bild“ in der Broschüre „MI(N)Tmachen erwünscht! Qualitätskriterien für gendersensible MINT-Nachwuchsprojekte in Rheinland-Pfalz“!
Wenn Ihr Euch zum Thema „Zielgruppengerechte Ansprache von Mädchen und Frauen in MINT“ austauschen und vernetzen möchtet, bietet Euch das kommende MINTcafé Gender am 27. Juli 2023 die ideale Gelegenheit dazu! Hier auf unserer Community-Plattform könnt Ihr Euch bereits zum Café anmelden. Weitere Termine findet Ihr auf unserer Homepage oder in unserem Newsletter. Wir freuen uns auf Euch!
1 Ziegler, A., & Stoeger, H. (2008). Effects of role models from films on short-term ratings of intent, interest, and self-assessment of ability by high school youth: A study of gender-stereotyped academic subjects. Psychological Reports, 102(2), 509–531.
https://doi.org/10.2466/PR0.102.2.509-531[TK1]
2 Ministerium für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2020). MI(N)Tmachen erwünscht! Qualitätskriterien für gendersensible MINT-Nachwuchsprojekte in Rheinland-Pfalz.
https://mint.rlp.de/fileadmin/mint/Bildmaterial/MINT-Broschuere/Broschuere_MI_N_T_machen_erwuenscht_Print_%40_Home_01.pdf
3 Oppliger, P. A. (2006). Effects of gender stereotyping on socialization. In: R. W. Preiss, B. M. Gayle, N. Burrell, M. Allen und J. Bryant (Hrsg.), Mass media effects research. Advances through meta-analysis (S. 199–214). Mahwah: Erlbaum.
4 Augustin-Dittmann, S., & Gotzmann, H. (Hrsg.) (2015). MINT gewinnt Schülerinnen. Erfolgsfaktoren von Schülerinnen-Projekten in MINT. Wiesbaden: Springer.
https://doi.org/10.1007/978-3-658-03110-7
5 Hentschel, T., Horvath, L. K., Peus, C., & Sczesny, S. (2018). Kick-starting female careers: Attracting women to entrepreneurship programs. Journal of Personnel Psychology, 17(4), 193–203.
https://doi.org/10.1027/1866-5888/a000209
6 Vervecken, D., & Hannover, B. (2015). Yes I can! Effects of gender fair job descriptions on children’s perceptions of job status, job difficulty, and vocational self-efficacy. Social Psychology, 46(2), 76–92.
https://doi.org/10.1027/1864-9335/a000229
Ansprechpartner:innen
Weitere Beiträge
Wirksamkeit messen!
Mit MINT-Bildungsangeboten wirklich alle erreichen
Langfristig unterstützen!
Ihr wollt keinen Beitrag mehr verpassen?
Dann meldet Euch jetzt für unseren Newsletter an.